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Der Julierpass - Ende oder Beginn der Zivilisation

  • hkmhoffmann
  • 6. Aug. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Aug. 2022


Die Passhöhe des Julier ist auch heute noch umrahmt von zwei Säulen, die vermeintlich auf die Römer zurückgehen. Es sind nur noch die unteren Teile der Säulen erhalten. Sie tragen keinerlei erkennbare Inschriften.

Öffnungen in der Mitte beider Säulenreste zeigen, dass diese früher einmal höher (und wahrscheinlich mit einem Kapitell versehen) gewesen sind.

Die Römer haben diese Säulen als Markierung verwendet, ähnlich dem Verhalten unserer Haustiere. Für die Alpenvölker bedeutete sie: Bis hierher und nicht weiter. Für das römische Volk soll die Aussage gewesen sein: Ende der Zivilisation. Gehe auf gar keinen Fall weiter.

Die Alpenvölker galten den Römern als Barbaren. Die Alpen selbst und ihre spezifischen Lebensbedingungen für den Menschen wurden als Vorhölle beschrieben. Der erfolgreiche Weg Hannibals über die Alpen (und letztlich die Niederlage Roms gegen dessen Heer) wurde daher übernatürlichen Kräften zugeschrieben.

Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich die (äußere) Wahrnehmung der Alpen und ihrer Bewohner. Die Dekadenz und der Zerfall des römischen Reiches führten zu einer Umbewertung. Nun waren es gerade die Alpenvölker, die als besonders zivilisiert galten. Ihr Leben in der faszinierenden Natur (wir würden heute von Nachhaltigkeit sprechen) galt als vorbildlich. Wiederum markierten die Säulen eine wichtige Grenze, nur unter umgekehrtem Vorzeichen.

Im Zuge der Aufklärung und der Verwissenschaftlichung der Natur sind weitere Facetten der Alpenlandschaft sichtbar geworden. Neben der inzwischen erkannten (Natur-) Schönheit der Landschaft und ihres positiven Einflusses auf den Menschen sind Besonderheiten wie diese wahrgenommen worden: Auf 1752 Höhenmetern verteilt findet man die gesamte Flora des europäischen Raums versammelt (vertikal) - von Spanien bis Spitzbergen (horizontal) - auf gerade mal sieben Stunden Fußweg.

Johann Jakob Scheuchzer, Oyresiphoites Helveticus sive Itinera alpina tria, London 1708

Diese Radierung von Johann Jakob Scheuchzer vom Beginn des 18. Jahrhunderts zeigt die inzwischen vollzogene Umdeutung: Die Wanderung und Erkundung der Alpenlandschaft zeugt von einem positiv empfundenen Aufbruch in neue Gefilde. Von der Vorhölle der Römer ist nun keine Spur mehr.

Mensch und Natur in einem positiven Spannungsverhältnis



Ausgelöst worden ist meine Beschäftigung mit diesem Pass durch ein Buch über die Kultur- und Naturgeschichte der Alpen. Ich bin aus dem Norden kommend in das Alpenvorland gezogen. Und natürlich habe ich begonnen, mich mit der Landschaft und ihrer Geschichte zu befassen. Dieses Buch von Patrick Stoffel hat mich dabei besonders begleitet und fasziniert: Die Alpen. Wo die Natur zur Vernunft kam - was für ein Titel.




 
 
 

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